Ein Bürger der Gemeinde Weilerswist erhielt als Erster für seine ehrenamtliche Tätigkeit die Auszeichnung „Ehrenamt des Monats“, die von der Ehrenamtsagentur des Kreises Euskirchen ausgelobt wird. Sven Schwarz lebt seit 2014 in der Gemeinde und ist ehrenamtlich auf sehr unterschiedlichen Gebieten tätig. Der in Köln geborene aufgewachsene 42-Jährige lebte und arbeitete einige Jahre in Duisburg, bevor er vor knapp acht Jahren nach Weilerswist zog. Mit seiner Lebensgefährtin teilt er sein Zuhause in der Nähe der Erft außerdem mit vier Katzen aus dem Tierschutz, die hier teils dauerhaft, teils als vorübergehende Pflegestelle ein Zuhause gefunden haben.
Herr Schwarz, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu diesem Titel. Aber wie kam es überhaupt zu der Auszeichnung „Ehrenamt des Monats“?
Für mich erst einmal sehr überraschend. Ich bekam einen Anruf vom Kreis in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich für das „Ehrenamt des Monats“ von überproportional vielen Bürgern des Kreises Euskirchen vorgeschlagen worden sei. Daraufhin sei die Entscheidung seitens der Ehrenamtsagentur ganz eindeutig auf mich gefallen.
Wie wird man für das „Ehrenamt des Monats“ nominiert?
Die Ehrenamtsagentur des Kreises sieht hier zwei Möglichkeiten vor: Man kann sich selbst als ehrenamtlich engagierter Mensch vorschlagen. Oder, wie dies offensichtlich in meinem Fall war, man wird von anderen vorgeschlagen. Definitiv habe ich mich selbst nicht vorgeschlagen. Aber ich freue mich sehr, dass von so vielen Menschen nominiert wurde.
In der Gemeinde Weilerswist sind Sie kein Unbekannter, was Ihr ehrenamtliches Engagement betrifft: Sie haben „CleanUp Weilerswist“ mitbegründet. Nicht zuletzt ist es ihrem Engagement zu verdanken, dass sich in Weilerswist im Hinblick auf „Essbare Gemeinde Weilerswist“ innerhalb kürzester Zeit ein beeindruckendes Konzept im Entstehen ist, dass, dass im Kreis Euskirchen einzigartig ist. Aber Sie engagieren sich auch noch in anderen Bereichen?
Angefangen hat alles mit dem Tierschutz Euskirchen, wo ich mich nach wie vor engagiere. Meine Katzen kommen aus dem Tierschutz und hier waren und sind es vor allem die „schwierigen Klienten“, denen ich mich gerne annehme. Also Katzen, die aufgrund ihres Verhaltens - meist hervorgerufen durch Erfahrungen in früherer Haltung, kaum zu vermitteln sind.
Eine dieser Katzen hat bei mir ein dauerhaftes Zuhause gefunden, weil sie sehr ängstlich ist und aus dieser Angst heraus gerne mal kratzt oder aggressiv wird. Selbst meine Lebensgefährtin lässt sie nicht an sich ran, reagiert eher aggressiv. Bei mir ist sie lammfromm, lässt sich streicheln und schmust mit mir. Das liegt einfach daran, dass sie offensichtlich bei mir das erste Mal zu einem Menschen Vertrauen gefasst hat.
Ein schöner Erfolg! Aber Sie werden sicher nicht alle diese „schweren Fälle“, denen Sie sich annehmen, behalten können?
Nein, es gibt auch Tiere, die von mir aus vermittelt werden können. Eine meiner vier Katzen ist bald soweit. Für sie haben wir ein gutes Zuhause gefunden. Sie kam ebenfalls zu uns, weil sie recht aggressiv auf Menschen reagierte und es ihr nach langer Zeit im Katzenhaus immer schlechter ging. Erst als sie eine Weile bei uns lebte stellten wir fest, dass sie offensichtlich nicht gut sehen kann. Bei den vielen Katzen, die der Tierschutz in den Katzenhäusern betreut, fehlt den Mitarbeitern einfach die Zeit, sich um jedes Tier ausgiebig zu kümmern.
So etwas fällt auf, wenn die Katzen, wie in diesem Fall, in Pflegestellen kommen. Als wir wussten, was mit ihr los war, wurde auch ihr Verhalten erklärlich. Die Aggressivität beruhte auf reiner Angst, weil sie nichts sehen konnte. Mit entsprechendem Verhalten unsererseits konnten wir dem Tier die Angst nehmen, die Katze fasste Vertrauen und legte ihre Aggressivität ab.
Zurzeit üben wir mit der zukünftigen Besitzerin dieses vertrauensvolle Miteinander zwischen Mensch und Katze ein. Das klappt hervorragend und bald heißt es für uns, Abschied nehmen – aber mit dem guten Gefühl, dass die Katze noch viele gute Jahre vor sich hat, trotz ihres Handykaps.
Sie sind in Ihrem ehrenamtlichen Engagement sehr vielfältig aufgestellt, engagieren sich in ganz unterschiedlichen Gebieten – auf „Verrückt? Na und!“ kommen wir noch zu sprechen. Aber woher kommt Ihre Motivation, sich so zu engagieren?
Die rührt aus meiner eigenen Erfahrung, als ich durch eine Krankheit beziehungsweise deren Behandlung und die damit verbundenen Einschränkungen auf Hilfe angewiesen war. Da habe ich selbst so viel Hilfe erfahren, und das ganz selbstverständlich.
Möchten Sie uns darüber erzählen?
Erblich bedingt war ich schwerhörig, musste mit nur 30 beziehungsweise 20 Prozent Hörvermögen Hörgeräte tragen. Nur durch Zufall wurde mit über 30 Jahren entdeckt, woher der Hörverlust kommt und dass er behandelbar ist. Ich konnte mich also operieren lassen, hatte aber anschließend große Beeinträchtigungen. Ich war vorübergehend auf Hilfe angewiesen, weil der Gleichgewichtssinn ja unmittelbar mit dem Ohr verbunden ist und ich so die Dinge des täglichen Lebens nicht selbst erledigen konnte. Zu dieser Zeit wohnte ich in Duisburg in einem Mehrfamilienhaus in der 2. Etage.
Die Mieter im Haus hatten das natürlich mitgekriegt und so wurde ich von der türkischen Familie unter mir bekocht, die indische Familie über mir versorgte mich mit Einkäufen und ein älteres Ehepaar, das im Haus wohnte, kam mich immer wieder besuchen und guckte nach mir. Als ich einen allergischen Schock durch die Medikamente bekam und der türkische Mieter unter mir das Poltern über sich hörte, weil ich umgefallen war, rief er sofort den Rettungswagen.
Als ich später nach Weilerswist zog und aufgrund der Operation noch nicht arbeiten konnte stand für mich außer Frage, dass ich die Hilfe, die ich in dieser Zeit erfahren habe, anderen zukommen lassen möchte. Als ausgesprochener Tierfreund war das Engagement im Tierschutz der Anfang, das Weitere entwickelte sich dann so nach und nach.
Relativ frisch ist Ihr Engagement bei „Verrückt? Na und!“ der Regionalgruppe Kreis Euskirchen, die ein Präventions-Programm für Jugendliche ab der Klasse 8 in den Schulen umsetzt. Was steckt dahinter?
Wir gehen im Team in die Schulen, dabei besteht so ein Team jeweils aus Menschen, die eine psychische Erkrankung haben, Ehrenamtlern wie mir, die sich für diese Sache engagieren möchten und psychologischen Experten. Die Schüler wissen nicht, wer vom Team eine psychische Erkrankung hat und wer nicht. Da man das den Menschen in der Regel auch nicht ansieht, wird erst am Ende dieses Workshops aufgeklärt, wer krank und wer gesund ist.
Anhand von unterschiedlichen Aufgaben wird das Thema psychische Erkrankungen erarbeitet. Dadurch wird das Thema zum einen besprechbar. Zum anderen können so Vorurteile und Ängste abgebaut werden. Psychisch krank heißt ja nicht, ich habe es hier mit einem durchgedrehten Monster zu tun, das mich gleich mit dem Messer angreift. Depressionen zum Beispiel, unter denen auch Kinder leiden, sehe ich doch niemandem auf den ersten Blick an.
„Verrückt? Na und!“ bringt das Thema psychische Gesundheit in die Schule und zeigt einfache und wirksame Wege, wie Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihren Lehrern Krisen meistern und seelische Gesundheit stärken können. Psychische Erkrankungen beginnen oft im Jugendalter. Deshalb ist eine wirkungsvolle Prävention wichtig.
Am Schluss eines Workshops berichtet immer einer der von einer psychischen Erkrankung betroffener aus seinem Leben, von seinen Erfahrungen. Ich werde nie den Augenblick vergessen, wie still es im Raum war, als die Jugendlichen – immerhin voll in der Pubertät – gebannt dem Bericht des Betroffenen zuhörten. Man hätte eine Stecknadel im Raum fallen hören können.
Herr Schwarz, Sie hatten im Vorgespräch angedeutet, dass Sie sich beruflich verändern möchten. Was haben Sie vor.
Ich würde gerne studieren, möchte Landschaftsarchitekt werden um das zu machen was mir Spaß macht.
Da konnten Sie ja im Rahmen ihres Engagements für die „Essbare Gemeinde Weilerswist“ ja schon praktische Erfahrungen sammeln! Ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen für Ihren beruflichen Weg und Ihr weiteres ehrenamtliches Engagement alles Gute.